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Reaktionszyklus imitiert biologischen Prozess der Aminosäurebeladung
Einem Forschungsteam aus Freiburg ist es gelungen, mithilfe von Phasentrennung die Erkennung von Aminosäuren und deren Oligomerisierung zu Peptiden zu ermöglichen

Die Assemblierung reaktiver Aminosäuren in flüssig-flüssig-phasenseparierten Kompartimenten ermöglichte eine präzise Kontrolle über die Erkennung spezifischer Seitenketten und die anschließende Verknüpfung der Aminosäuren. Foto: Lenard Saile
Ribosomen übersetzen die in der DNA codierte Information in einem präzisen Prozess in Proteine. Bestimmte Enzyme, sogenannte Aminoacyl-tRNA-Synthetasen, spielen dabei eine entscheidende Rolle. Sie sorgen dafür, dass während der Translation die korrekte Aminosäure aktiviert und an die jeweilige tRNA gebunden wird. Wie dieser genau abgestimmte Prozess ursprünglich entstanden ist, bleibt jedoch ungeklärt. Insbesondere stellt sich die Frage, wie sich Aminosäuren selektiv verbinden konnten, ohne dass Enzyme die Bildung komplexer molekularer Maschinen ermöglichten.
Dr. Charalampos Pappas, Dr. Kun Dai und Lenard Saile von der Universität Freiburg und dem Exzellenzcluster „Living, Adaptive and Energy-autonomous Materials Systems (livMatS)“ haben in einem Experiment gezeigt, dass sich Aminosäuren auch ohne Zugabe von Enzymen selektiv zu Peptid-Oligomeren organisieren können. Die Wissenschaftler nutzten Phasentrennung, um die Auswahl der beteiligten chemischen Bausteine zu steuern. Sowohl die Bindung der Aminosäuren als auch die Flüssig-Flüssig-Phasentrennung wurden dabei durch nur einen Acyltransfer-Reaktionszyklus ermöglicht. Die Ergebnisse veröffentlichte das Team in der Fachzeitschrift Chem.
Gezielte chemische Steuerung anstelle zufälliger Reaktionen
„Wir lassen uns von biologischen Prozessen inspirieren, aber unser Ziel ist es, die Komplexität zu reduzieren und vereinfachte Versionen biologischer Bausteine zu verwenden, die solche Prozesse auch ohne Enzyme nachahmen können“, sagt Charalampos Pappas. „Unsere Studie zeigt, wie sich aus einfachen Aminosäuren gebildete Tröpfchen als Kanäle für Oligomerisierungspfade nutzen lassen und wie dadurch eine gezielte chemische Steuerung anstelle zufälliger Reaktionen erreicht werden kann.“
In lebenden Organismen erkennen Aminoacyl-tRNA-Synthetasen verschiedene Aminosäuren und aktivieren sie unter ATP-Verbrauch. Dabei entsteht das Zwischenprodukt Aminoacyl-Adenylat, das jedoch nicht von Ribosomen erkannt werden kann. Erst durch die Übertragung des Aminoacyls auf eine tRNA wird die Aminosäure über eine Esterbindung an die tRNA gebunden.
Acyltransfer-Reaktion ähnelt dem natürlichen Prozess
Im Experiment koppelte das Forschungsteam einen Reaktionszyklus an die Oligomerisierung der Aminosäuren, wodurch eine Acyltransfer-Reaktion ausgelöst wurde, die dem natürlichen Prozess ähnelt. Während dieses Reaktionszyklus bildeten sich Aminoacyl-Phenolester, die die Aminosäuren in Kompartimenten organisierten und je nach Art der Seitenkette lineare oder zyklische Peptidketten erzeugten.
Die Assemblierung reaktiver Aminosäuren in flüssig-flüssig-phasenseparierten Kompartimenten ermöglichte eine präzise Kontrolle über die Erkennung spezifischer Seitenketten und die anschließende Verknüpfung der Aminosäuren. Dabei wurden gezielt bestimmte Aminosäuren angereichert und gleichzeitig vor hydrolytischer Deaktivierung geschützt. Den Freiburger Forschern gelang es, Monomere so zu gestalten, dass sie gleichzeitig als reaktive Substanz und als Auslöser der Phasentrennung fungieren konnten.
- Originalpublikation:
Dai, K., Saile, L., Pol, M. D., Sharma, A., Pramod, T., & Pappas, C. Phase Behavior and Pathway-Selective Oligomerization Driven by Amino Acid Side Chain Recognition, Chem, 2025.
DOI: 10.1016/j.chempr.2025.102589 - Charalampos Pappas ist seit 2020 Leiter einer Nachwuchsgruppe am Exzellenzcluster „Living, Adaptive and Energy-autonomous Materials Systems“ (livMatS) der Universität Freiburg. Er ist außerdem Mitglied des Freiburger Zentrums für interaktive Materialien und bioinspirierte Technologien (FIT). Seine Forschung konzentriert sich auf Phosphat gestützte System-Chemie.
- Kun Dai ist Postdoktorand im Exzellenzcluster livMatS. Er entwickelt chemische Netzwerke aus Peptiden, die zu dynamischer Anpassung fähig sind und biologisches Verhalten nachahmen können, indem sie nicht im Gleichgewicht befindliche selbstorganisierende Systeme konstruieren.
- Lenard Saile ist Doktorand in der Arbeitsgruppe von Charalampos Pappas im Exzellenzcluster livMatS. Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf dem molekularen Design dynamischer Reaktionsnetzwerke, die Selbstassemblierungs-Mechanismen nutzen um Selektivitäten und Funktionen zu erzeugen.